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Man kommt auch in der Zeit von Samplern, superrealistischen Synthesizern und Geräten wie dem Autotune von Antares nicht an Mikrofonen vorbei. Gott sei Dank, denn von Mikros und deren ganz spezifischen Eigenschaften lebt die Musik aus der Retorte (also aus Omas Küchenradio, HiFi-Anlage und Live-Act). Mikrofonie ist jedoch ein sehr umfangreiches Thema, welches ganze Bücher füllt und mit viel Theorie verbunden ist. Meiner Erfahrung nach verschreckt dies viele Hobby-Tontechniker und Homerecorder, die dann meist völlig überfordert den Fehler machen und bei einem der großen Versandhäuser anrufen, sich dort "beraten" lassen, und sich schließlich irgendein angebliches All-Round-Mikro aufschwatzen lassen.
Aus diesem Grund gibt es hier neben den absoluten Basics viele einfache Erklärungen über das Wie und Warum, mit einfacher Vorteil/Nachteil-Gliederung. Auch werden gängige Begriffe erklärt und Tipps zur Mikrofonwahl gegeben.
Im ersten Teil erkläre ich die theoretischen Grundlagen (z.B. wie die Richtcharakteristik zustande kommt). Im zweiten Teil gehe ich auf viele Begriffe und praktische Grundlagen ein (z.B. warum die Großmembran so einen "warmen" Klang hat). Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Wahl des richtigen Mikros, sowohl im Einkauf als auch im Studio. Teil vier behandelt Mikros in der Praxis (z.B. wie mikrofoniere ich einen Sänger/Gitarrenamp/Schlagzeug).
Theorie
Jeder wird sicher schon einmal von der Richtcharakteristik gehört haben. Daneben steht in Katalogen meist noch, ob es sich um ein dynamisches Mikro, oder ein Kondensator-Mikro handelt. Dass beides nichts miteinander zu tun hat, und was beides überhaupt bedeutet, soll jetzt erklärt werden.
In jedem Mikro steckt neben Vorverstärkern, Schaltern und einem Anschluss das Herzstück, die sog. Kapsel. In ihr wird aus der Schwingung der Luft eine elektrische Wechselspannung. Um die Art der Kapsel und ihrer Eigenschaften zu erklären, teilt man sie in zwei Teile auf: den mechanischen und den elektrischen Teil. Der mechanische Teil besagt, wie die Membran und ihr Drumherum aufgebaut ist, um eine Luftschwingung zu empfangen und in die Schwingung der Membran umzuwandeln. Daher spricht man hier auch von dem Empfängerprinzip. Bei der Betrachtung des elektrischen Teils schwingt die Membran bereits. Hier wird nur betrachtet, wie die mechanische in die elektrische Energie gewandelt wird. Daher spricht man auch vom Wandlerprinzip.
Das Wandlerprinzip
Gleich vorneweg: Dies hat absolut nichts mit der Richtcharakteristik zu tun! Die beiden am weitesten verbreiteten Wandler sind der Elektrodynamische Wandler (im sog. "Dynamischen Mikrofon" bzw. Tauchspulenmikro, z.B. Shure SM 58) und der Elektrostatische Wandler (im sog. "Kondensatormikrofon", z.B. Neumann U87).
Das Tauchspulenmikrofon kann man sich sehr einfach vorstellen: Eine Gugelhupfbackform aus magnetischem Material, über die mittlere Erhebung ein Glas gesteckt, welches mit Draht umwickelt ist (Spule) und an dem die Membran befestigt ist. Bewegt sich die Membran, bewegt sich die Drahtspule, und der Dauermagnet induziert eine Wechselspannung. Eigentlich sehr einfach!
Tauchspulenmikrofone gibt es bereits ab DM 60,-, brauchbare ab etwa 180,-- Mark. Sie sind im Livebereich oder zur Abnahme von lauten Instrumenten weit verbreitet.
Vorteile: keine Spannungsversorgung notwendig, relativ robust, vertragen hohe Schalldrücke (z.B. bei Trompete oder Schlagzeug), relativ preiswert.
Nachteile: bauartbedingt kein linearer Frequenzgang, relativ geringe Ausgangsspannung und daher anfällig gegenüber Brummeinstreuungen, schlechtes Impulsverhalten (weil die Membran mit der angeklebten Spule relativ schwer ist, klingt ein solches Mikro tendenziell eher matschig und nicht direkt und knackig).
Verwendung: Im Livebereich werden sie fast ausschließlich eingesetzt. Im Studiobereich findet man sie an Toms (Sennheiser MD 421), Bass Drum (Shure D 112), Snare (Shure SM 57), Gitarrenamp (SM 57 oder SM 58 oder MD 421) oder vor Blechbläsern (RE 20). Im Prinzip vor allem, was sehr laut ist. Es macht jedoch wenig Sinn, Gesang oder akustische Gitarren damit aufzeichnen zu wollen.
Das Kondensatormikrofon ist hingegen etwas komplizierter aufgebaut. Ein Kondensator ist wie eine kleine Batterie. Er besteht aus zwei leitenden Folien, der Membranelektrode und einer festen Gegenelektrode. Man kann ihn laden und entladen wie einen Akku. Über die Stärke der Ladung entscheidet u.A. die Größe der Elektroden und ihr Abstand zueinander. Bewegt sich nun die Membran mit dem Schall, ändert sich dieser Abstand und somit auch die Ausgangsspannung; eine Wechselspannung entsteht. Da man ja den Kondensator laden muss, benötigt ein Kondensatormikro (auch "Kondenser" genannt) die Phantomspeisung. Bei einem Elektretmikrofon (eigentlich: "Kondensatormikro in Elektrettechnik") ist die Ladung in der Folie dauerhaft "eingefroren". Hier wird die Phantomspeisung für den Vorverstärker benötigt.
Billige Kondenser gibt es ab DM 250,- (Kleinmembran) bzw. DM 500,-- (Großmembran). Für brauchbare Mikrofone sollte man jedoch mehr ausgeben.
Vorteile: relativ linearer Frequenzgang, sehr gutes Impulsverhalten, da die Membran 20x leichter ist, als bei einer Tauchspule, hohe Ausgangsspannung.
Nachteile: Spannungsversorgung notwendig, teuer, wenig robust, geringerer Grenzschalldruck.
Verwendung: Zu unterscheiden ist hier zwischen Groß- und Kleinmembran. Erstere werden eher für Gesang eingesetzt (z.B. Neumann U87 oder AKG C414), letztere hauptsächlich für Instrumentenabnahme (Overheads AKG CK31) oder Stereomikrofonie. Warum dies so ist, wird später erklärt.
Das Empfängerprinzip
Gleich vorneweg: Dies hat absolut alles mit der Richtcharakteristik zu tun! Es gibt drei Arten von Empfängern:
- Druckempfänger (hier sitzt die Membran auf einer akustisch geschlossenen Kapsel) sind die besten Tiefbassempfänger und besitzen eine Kugelcharakteristik. Sie erfassen den Druckunterschied zwischen dem Druck vor der Kapsel und dem praktisch gleichbleibenden Druck in der Kapsel.
- Druckgradientenempfänger (bestehend aus einer von hinten und vorne frei zugänglichen Membran) haben als Charakteristik eine Acht. Sie messen die Druckunterschiede vor bzw. hinter der Membran. Weil tiefe Frequenzen durch ihre hohen Wellenlängen keinen großen Phasenunterschied vor bzw. hinter der Membran haben, fällt der Pegel im Bassbereich ab.
- Druckgradientenempfänger mit Laufzeitglied besitzen hinter der Membran eine Konstruktion, die den von hinten auftreffenden Schall so lange verzögert, wie er braucht, um auch vor die Membran zu gelangen. Dadurch herrscht bei rückwärtiger Besprechung vor und hinter der Membran der gleiche Schalldruck, die Membran "reagiert" nicht und es ergibt sich eine Nierecharakteristik. Auch hier ist eine Linearität im Bassbereich nicht gegeben.
Des weiteren gibt es sog. Empfänger dritter Ordnung. Hierbei handelt es sich um Mikrofone mit zwei quasi Rücken-an-Rücken stehenden Kapseln. Meist kann man bei solchen Mikrofonen die Richtcharakteristik umschalten. Dies geschieht entweder mechanisch, bei besonders hochwertigen Mikrofonen (z.B. von Schoeps) lässt sie sich auch elektrisch aus der Regie umschalten. Je nach Mikrofontyp sind Acht, Niere, Kugel, Hyperniere, Superniere und Mischformen möglich. Zu beachten ist, dass es sich bei der Kugel nicht um eine "echte Kugel" von einem Druckempfänger handelt und somit die Linearität im Bassbereich nicht gegeben ist.
Vorschau
Das mag hier sicherlich alles sehr theoretisch gewesen sein, ist aber die Grundlage für die folgenden Teile. Im nächsten Teil geht es um viel Wissen, was für die praktische Nutzung von Mikrofonen unersetzlich ist. Versprochen!
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