MEMI Hardware-Test

 

Casio VZ-1 / VZ-10m

iPD-Synthesizer

 

Casio = Taschenrechner, Armbanduhr, Kinderkeyboard?

Nun, so ganz stimmt das nicht! Casio war einmal sehr innovativ auf dem Synthesizer- und Samplermarkt tätig. Bekannt wurden hier v.a. die CZ-Serie mit ihrer eigens entworfenen PD-Synthese (Phase Distortion), die FZ-Sampler als erste bezahlbare 16-Bit-Geräte und die weiterentwickelten VZ-Synthesizer mit der iPD-Synthese (interactive PD). Hier soll es nun um den VZ-1 bzw. dessen Expanderversion VZ-10m gehen.

Die iPD birgt sicherlich Anleihen bei Yamahas FM-Synthese. Nicht erschrecken! Während mich die tödlich schwerfällige Bedienung meines TX-81Z selig immer vom Programmieren abhielt, geht das Ganze bei Casio wesentlich besser vonstatten, wenn man das Prinzip einmal verstanden hat, und das geht so:

Es gibt acht so genannte Module, die nichts anderes sind als Oszillatoren. Diese agieren in vier Paaren (=Lines) A,B,C und D und können sich untereinander (d.h. zum Beispiel Modul 1 -> Modul 2) und paarweise (d.h. zum Beispiel Line A -> Line B) auf verschiedene Weisen beeinflussen. Anzumerken ist noch, dass die gewählte Anzahl an Modulen nicht die Stimmenzahl beeinflusst. Ein 8-Oszi-Sound ist ebenso 16-stimmig wie ein 1-Oszi-Sound.

Zuerst wählt man eine Wellenform für jedes Modul aus (Sinus, Saw 1-5 mit verschiedenem Obertongehalt, Noise 1-2) und bestimmt dann die Art der Ausgabe:

  1. Mix : Hier werden einfach beide Module einer Line gemischt.
  2. Interne Phase : Modul 1 moduliert Phase von Modul 2
  3. Ring : Modul 1 ringmoduliert Modul 2
  4. Externe Phase : Die Phase der Line wird von einer anderen Line moduliert.

Module bzw. Lines, die andere Module bzw. Lines phasenmodulieren, erklingen nicht. Immer nur das letzte Glied in der Kette wird auch wirklich ausgegeben, sofern es sich nicht um einen MIX oder eine Ringmodulation handelt.

Somit kann man sich seinen 8-Operatoren-Synthesizer prima selbst zusammenbauen, indem man die Lines auf die unterschiedlichsten Arten verkettet. Aber auch einfache Stacks mittels der MIX-Funktion sind möglich. Immerhin sind es dann ja noch vier 2-Operatoren-Sounds, die einen Gesamtklang ergeben.

Nach den Oszillatoren lassen sich eine maximal 8-stufige (globale) Pitch- und eine Verstärkerhüllkurve (pro Modul) programmieren, die komplex modulierbar sind. Auch die beiden LFOs, die für Vibrato (in der deutschen Anleitung als "Vibrator" bezeichnet) und Tremolo zuständig sind, sind von der aufwändigeren Sorte: Verschiedene Wellenformen, Delay und Modulationsquellen bieten alles, was das Herz begehrt - außer einer MIDI-Synchronisation. Ein Filter gibt es nicht.

Heraus kommt ein Klang, der in verschiedenen Modi einsetzbar ist:

  1. Normal-Modus: Es wird ein Einzelsound auf einem wählbaren MIDI-Kanal gespielt (64 Speicherplätze)
  2. Combination: Bis zu vier Einzelklänge lassen sich auf der Tastatur splitten, stacken, stimmen und abmischen. Handelt es sich um Splits, kann auch pro Klang ein MIDI-Kanal gewählt werden, allerdings nur global, d.h. die MIDI-Kanalwahl wird nicht mit jeder Combination einzeln abgespeichert.
  3. Operation: Dies ist lediglich ein Speicherbereich, in dem die Combinations mit jeweils eigenem Namen gespeichert werden können (64 Plätze).
  4. Multi: 8-facher Multitimbralmodus, frei programmierbar.

Dazu gibt es einen Mix- und zwei Einzelausgänge, deren Belegung jedoch vorgeschrieben ist (eine Krankheit, die auch dem FZ-Sampler anlastet). Der Mix-Ausgang liegt zusatzlich als XLR-Buchse vor. Der VZ-10m bietet außer MIDI keine weiteren Anschlüsse, ist also voll vom Masterkeyboard abhängig. Der VZ-1 jedoch hat noch zwei Pedalanschlüsse und drei Handräder, von denen zwei programmierbar sind und verschiedenen Funktionen zugewiesen werden können. Mit seiner Aftertouch-Tastatur ist der VZ-1 damit ein gutes Masterkeyboard. Bei beiden lässt sich die Soundanzahl per Card verdoppeln.

Die Bedienung

Die VZ-Synths bieten ein für damalige Verhältnisse großes Grafikdisplay, das auch einige Hüllkurven grafisch darstellen und sogar zoomen kann. Umrundet wird es von jeder Menge Taster und einem Value-Regler. Wählt man einen Modus per Taster an, kann man sich mit dem Menu-Taster von Menu zu Menu steppen. Jedes bietet mehrere Parameter, die man mit den Cursortasten erreicht. Passen einmal nicht alle zusammengehörigen Parameter auf eine Displayseite (z.B. Hüllkurven), hilft der Page-Taster weiter.
Insgesamt ist die Bedienung logisch und eingängig, allerdings sollte man dringend beide Hände frei haben und ausnutzen, da die wichtigen Taster beiderseits des Displays angeordnet sind und somit doch recht große Wege zurückzulegen sind, wenn man mit einer Hand spielt und mit der anderen programmiert.

Wichtig ist, was hinten rauskommt

Schon die Einzelsounds des VZ können meiner Ansicht nach überzeugen: Schön kühle Digital-Flächen, fette analogartige Klänge (Brass, Strings), metallische Sägesounds oder absolut abgedrehte Effekte sind kein Problem. Alles ist sehr dynamisch spielbar. Auch Bässe stellen kein Problem dar. Der Grundsound ist allerdings nicht als sauber und edel zu bezeichnen, sondern eher als ruppig, aggressiv und zu leichtem Rauschen neigend. Dieses geht im Mix jedoch unter.

Natürlich drängt sich ein Vergleich mit FM-Synthesizern auf. Die 4-OP-FM wird locker in die Tasche gesteckt, in jeder Hinsicht. Der DX-7 hat hingegen Stärken in Sachen Druck, während der VZ-1 die etwas breitere Wellenformpalette bietet. Er wird von neueren FM-Synths wie SY-77/99 und FS1R jedoch problemlos überholt. Dennoch kann man den VZ als Alternative zur FM sehen, da sein Klangspektrum etwas abweicht, der Grundklang ein anderer ist und er auf dem Gebrauchtmarkt deutlich billiger kommt - die Tastaturversion dient dabei sogar als gutes Masterkeyboard, was man zumindest von einem SY77 nicht sagen kann.

Insgesamt würde ich sagen: Ein verkanntes Gerät, das gute Sounds liefert und passabel zu bedienen ist. Natürlich ist man damit nicht absolut auf der Höhe der Zeit (Effekte, Drums etc. fehlen), aber gerade in der EM zählen ja die Stimmen und der kreative Umgang mit mehreren Geräten ebensoviel wie die angesagtesten Sounds, die sowieso jeder verwendet. Mit den recht niedrigen Gebrauchtpreisen, Tendenz fallend, ist man meiner Ansicht nach mehr als gut bedient.


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Autor: Christian Baum Ein Service von MEMI.